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15.Tag         Camp Paradiso – 15.02.2020

Heute geht es wieder früh raus. Das Frühstück ist für 5:30 Uhr geplant. Und dann nach Sonnenaufgang kurz nach 6:00 Uhr soll es losgehen. Wir gehen weiter in Richtung der verlorenen Stadt – der Ciudad Perdida. Schon nach einer kurzen Wegstrecke kommen wir an einem Dorf der Wiwa vorbei. Die Hütten im Dorf werden vor allem für die Zusammenkünfte benutzt. Die Familien haben meist noch eine weitere Hütte bei ihren Feldern. Wobei viele dieser Hütten dann auch in der Nähe unseres weiteren Weges liegen, dort sind dann im Regenwald auch ein paar Hühner unterwegs, oder auch am Wegesrand Schweine angepflockt. Unser Weg führt uns weiter an einem Fluss entlang, was mit einem mehr oder weniger sanften Auf und Ab einhergeht. Den Fluss überqueren wir schließlich über eine Brücke, nach der der erste ernstzunehmende Anstieg nicht mehr lange auf sich warten lässt. Da wir am frühen Morgen mit etwas kühleren Temperaturen unterwegs sind, und dazu noch meistens unter den Bäumen gehen, ist es zu mindestens vom Klima etwas angenehmer. Trotzdem läuft bei mir der Schweiß schon wieder in Strömen. Und auch die Wegeverhältnisse sind besser, als ich es gestern mit dem einsetzenden Regen eigentlich erwartet hatte.

Nach etwa 2 Stunden erreichen wir nach einem letzten etwas steileren Anstieg eine kleine Hütte, an der man uns ein paar Früchte anbietet. Auch diese sind wieder von den Trekking-Agenturen hier deponiert bzw. von den örtlichen Bauern gekauft worden. Daneben liegt noch eine weitere Hütte, in der offensichtlich ein paar Soldaten stationiert worden sind. Sie sind, wenn auch etwas gelangweilt, mit ihren umgehängten Gewehren unterwegs. Ab hier verläuft der Weg wieder unter einem sanften Auf und Ab relativ eben. So reichen wir nach weiteren etwa 1,5 Stunden das nächste Camp, auch dieses wird von den Wiwa betrieben. Auch dieses liegt wieder an einem Fluss, dessen Lauf wir ab hier für eine weitere Stunde folgen, und über eine weitere Brücke überqueren. Diese ist allerdings um einiges kleiner, als die die wir am Morgen überquerten. Über die erste Brücke konnten auch die Maultiere laufen, hier müssen sie durch den Fluss, und auf der Brücke sind maximal drei Personen erlaubt. Nach einer weiteren Stunde erreichen wir schließlich das Camp Paradiso. Es ist das größte und letzte aller Camps auf dem Weg zur verlorenen Stadt, und nur etwa eine halbe Stunde vom Aufstieg entfernt. Genau das ist unser Ziel nach dem Mittagessen. Um aber zum eigentlichen Aufstieg zu kommen, müssen wir noch den Fluss durchqueren. Da dieser relativ schnell fließt, ist es durchaus angeraten sich an dem Ummantelungsstahlseil festzuhalten. Dabei ist er jetzt in der Trockenzeit aber nicht sonderlich tief, und reicht mir nicht mal bis zu den Knien. Unmittelbar auf der anderen Flussseite beginnen dann die 1000 Stufen zur Ciudad Perdida, wobei die Zahl eher geschätzt als tatsächlich belastbar ist. Aber es sind viele, soviel ist sicher. Es geht dabei um rund 300 Höhenmeter. Die Hauptschwierigkeit ist aber nicht etwa die Anzahl der Stufen, sondern die Unregelmäßigkeit. Und die Stufen sind sehr kurz, haben also nur eine geringe Auftrittsfläche. Sie ist nicht selten kaum mehr als 10-15 cm. Dazu variiert die Steighöhe pro Stufe zwischen wenigen Zentimetern oder auch mal 40-50 cm. Auch wenn die Sonne sich inzwischen ein wenig hinter den Wolken versteckt, ist es doch sehr warm und ich schwitze mal wieder – wie praktisch unentwegt, seit wir im Regenwald unterwegs sind. Inzwischen muffelt die Kleidung auch schon so, dass man es schon selbst riecht. Aber irgendwann ist es dann auch geschafft, und wir stehen am Eingang des Areals zur Ciudad Perdida. Der Kernbereich der verlorenen Stadt, und mehr ist überhaupt nicht freigelegt, besteht aus runden Plattformen, auf der die Stämme ihre Hütten errichtet hatten. Verbunden sind die verschiedenen Plattformen und Bereich durch mit Steinen gepflasterte Wege. So bestehen auch die Plattformen aus aufeinander geschichteten Steinmauern. Die Stadt bestand zwischen den Jahren 700 und 1600. Aufgegeben wurde sie übrigens wegen der einfallenden Spanier in das heutige Kolumbien incl. der Krankheiten die sie mit einschleppten, die viele Opfer unter den indigenen Völkern forderten. Die Stadt wurde von den Tairona Indianern errichtet und bewohnt. Aus ihnen sind die heutigen Stämme der Kogi, Wiwa, Arhuaco und auch die Kankuma hervorgegangen. Zu Hochzeit sollen hier etwa 8000 Menschen gelebt haben, für die damalige Zeit eine beachtliche Anzahl. Wobei viele von ihnen hier vermutlich nicht das ganze Jahr lebten, sondern nur zu größeren Zusammenkünften hierherkamen. Das komplette Areal ist etwa 2 km * 3,5 km groß, wobei der freigelegte Bereich um einiges kleiner ist. Die heute freigelegten Teile der verlorenen Stadt befinden sich auch einer Höhe zwischen 900 und 1200 m. Auf dem Areal befinden sich etwa 200 heute bekannte Plattformen, auf denen die Menschen ihre Hütten errichteten. Viele der bekannten Plattformen sind bis heute nicht freigelegt worden. Teilweise befinden sich die Plattformen auch übereinander, da die bedeutendsten Toten mit Grabbeigaben unter anderem aus Gold auch darin beerdigt wurden. Anschließend wurde darauf eine neue Plattform errichtet, die dann wieder die Grundlage einer neuen Hütte bildete. Heute gilt die Ciudad Perdida nach Machu Picchu in Peru als eine der größten wiederentdeckten präkolumbianischen Städte Südamerikas. Gerade diese Grabbeigaben haben auch zur Entdeckung durch Goldgräber in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts geführt. Sie plünderten die Gräber, und gingen dabei wenig zimperlich vor, so wurde vieles bei ihren Ausgrabungen zerstört. Zu der Zeit wurde auch im größeren Maßstab Canabis sativa, besser bekannt als Marihuana, in dem Gebiet angebaut. Die Goldgräber bezeichneten das Gebiet als „die grüne Hölle“. Später verriet dann einer der Goldgräber nach einem Saufgelage den Ort der Goldfunde. Das rief dann den Staat Kolumbien auf dem Plan, der begann das Gebiet zu sichern und durch Archäologen professionell freilegen zu lassen. Teile ihrer Fundstücke sind heute in Museen in Santa Marta und Cartagena zu sehen. Später kamen dann auch die ersten Touristen, wobei es eher Abenteurer waren. Es gab kaum etwas, was man als Weg bezeichnen konnte, und die heutigen Camps schon gar nicht. Dies blieb auch so, als das Gebiet unter die Herrschaft der FARC Guerilla geriet. Im Jahre 2003 rückte dann eine Entführung von acht Touristen durch die ELN Guerilla das Gebiet in den Blickwinkel der Weltöffentlichkeit. Auch wenn die Entführung nicht in der direkten Umgebung der Ciudad Perdida geschah. Die ELN versuchte ihre Geiseln gegen einige ihre inhaftierten Führer einzutauschen, was letztlich auch gelang. Einige Monate später, nachdem die Militärpräsenz in dem Gebiet erheblich ausgeweitet worden war, galt das Gebiet der Ciudad Perdida wieder als sicher. Seitdem ist die Touristenzahl deutlich angestiegen. Anfangs wurden auch Touristen mit dem Hubschrauber zur verlorenen Stadt gebracht. Dabei landete der Helikopter auf einer der wichtigsten Plattformen. Wie sich herausstellte, wirkte sich das deutlich negativ auf die Bausubstanz aus. So sind die Touristenflüge auf Drängen der Kogi und Arhuaco, für die die Ciudad Perdida ein heiliger Ort ist, seit 2010 eingestellt worden. Sie bemühen sich auch nach wie vor darum, dass auch das Militär, das eine kleine ständige Truppe vor Ort hat, ihre Landungen in der verlorenen Stadt einstellt. Bisher scheitert dieses Unterfangen aber an einer fehlenden alternativen Landemöglichkeit für die Maschinen. Diese ließe sich sicherlich schaffen, bisher fehlt es aber am politischen Willen dazu, zumal die dann zwangsläufig etwas abseits gebaut werden müsste. Für Touristen ist heute der Weg, den auch wir hierher genommen haben, die einzige Option hierher zu kommen. Die Touren müssen mit einer dafür lizensierten Agentur und einem örtlichen Führer gebucht werden. Seit 2010 sind auch die Zeltübernachtungen auf dem Gebiet der Ciudad Perdida selbst verboten.

Wir selbst waren am Nachmittag neben einer weiteren Gruppe unseres Reiseveranstalters die einzigen Besucher in der Ciudad Perdida. Die typische Zeit für einen Besuch ist der Morgen bzw. frühe Vormittag. Dann tummeln sich in der Saison, also in den Trockenzeiten in Kolumbien, zwischen 100 und 200 Touristen auf dem Gelände. Da die wirklich wichtigen und freigelegten Plattformen relativ überschaubar sind, dürfte das mit einem ziemlichen Rummel verbunden sein, und es auch schier unmöglich machen, ein angemessen ruhiges Bild aufnehmen zu können. Es werden praktisch immer die bunten Kleckse der Touristenkleidung dominieren. Wir selbst bekommen dann sogar noch die Möglichkeit den Mamo Romaldo der örtlichen Kogi besuchen zu dürfen, der uns ein bisschen über seine spirituelle Arbeit berichtet. Dazu muss man wissen, dass die Kogi sich in ihrer Weltanschauung als die Beschützer der Erde sehen. Auf der Flucht vor den spanischen Eroberern zogen sie sich Ende des 16. Jahrhundert hoch in die Berge im nördlichen Regenwald Kolumbiens zurück, sie lebten dabei in Höhen jenseits der 2000m. Unterhalb von ihnen lebte ihr Brudervolk der Wiwa und südlich von ihnen die Arhuaco. Da das Gebiet insbesondere der Kogi für die Spanier uninteressant war, blieben die Kogi für mehrere Jahrhunderte eine vergessene Zivilisation. Dabei trieben sie vor ihrem selbstgewählten Exil Handel mit den anderen Hochkulturen der Region wie den Maya im heutigen Gutemala oder den Azteken in Peru. Sie gelten als eine der am wenigsten von unseren westlichen Wertesystem durchsetzten Völker in Süd- und Mittelamerika. In ihrer Weltanschauung hat die Gemeinschaft einen sehr hohen Stellenwert. Ein Streben nach Geld, Reichtum und Macht ist ihnen fremd. Sie versuchen im Einklang mit Aluna, ihrer höchsten Gottheit die den Ursprung von allem symbolisiert, zu leben. Dabei sehen sie die Erde als ihr höchstes Gut, von dem nur so viel genommen werden darf, wie unmittelbar nötig. Sie lehnen deshalb auch die Ausbeutung von Rohstoffen ab, da man damit der Erde Wunden schlägt. Sie sehen sich als die „Ältere Brüder“, die wieder zu uns kommen, also ihr selbstgewähltes Exil verlassen mussten, um uns, den „kleinen Brüder“, den Zusammenhang zwischen allem in der Natur zu erklären, damit wir mit der Zerstörung der Natur aufhören. Den Entschluss die Erde retten zu müssen, und wenn es um den Preis ist, zu uns kommen zu müssen, haben sie vor rund 100 Jahren auf einer großen Versammlung getroffen. Und sie sehen sich als die Älteren Brüder in der Verantwortung die Erde zu schützen, denn letztlich können sie nur so ihr eigenes Überleben sichern. Dabei lehnen sie bewusst viele technische Möglichkeiten ab.

Nach dem Besuch gehen wir über den sogenannten Spanischen Weg wieder zum Ausgangspunkt der Treppe zurück, auf der wir hierhergekommen waren. Wobei sich nicht ganz unerwartet der Abstieg auf den Treppenstufen als technisch deutlich schwieriger herausstellt als der Aufstieg. Nach ca. 4,5 Stunden erreichen wir schließlich wieder das Camp Paradiso, in dem in der Zwischenzeit zahlreiche weitere Gruppen eingetroffen sind, die sich dann alle am nächsten Morgen auf den Weg zur Ciudad Perdida machen werden. Was dann dafür sorgt, dass nicht wenige schon ein bisschen erschöpft sind, und doch gleichzeitig ein bisschen aufgeregt auf den kommenden Tag warten. Da das Camp Paradiso das größte auf dem Weg zur verlorenen Stadt ist, in der praktisch alle Station machen, ist es gefühlt ein bisschen übervoll. So gibt es hier neben den Stockbetten auch zahlreiche Hängematten für die Nacht. Die sanitären Einrichtungen sind zu den Stoßzeiten ein bisschen knapp, so ist das Camp auch bekannt dafür, dass es „sehr anregend“ auf den Verdauungstrakt wirkt. Aber insgesamt ist es nicht so arg, wie ich es eigentlich zu Beginn des Trekkings zur verlorenen Stadt in Mamey erwartet hatte.