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12.02.2010      13. Reisetag - Gipfeltag am Kilimanjaro

Kurz vor Mitternacht werden wir offiziell geweckt. Es gibt ein paar Kekse und warme Getränke. Am Vorabend haben wir alles vorbereitet, Fotoakku aus der Kamera in die Hosentasche gesteckt, natürlich neben Ersatzakku, Ersatzbatterien für die ohnehin getauschten Batterien der Stirnlampen finden sich ebenfalls in der Hosentasche. Der Camelbak ist heute mit warmem Wasser gefüllt. Ich trage ihn über dem Fleecepulli aber unter den drei Jacken (dicke Fleecejacke, Softshell und Regen-bzw. Winddichter 3. Bekleidungsschicht). Dazu noch lange Unterhose und Skihose, an den Händen trage ich meine dünnen Handschuhe, die dicke Variante liegt im Rucksack, und eine Fleecemütze. Vor dem Zelt schätze ich meine Chancen wieder auf 80:20 für den Gipfelerfolg. Noch im Zelt hatte ich ja das umgekehrte Verhältnis getippt. Aber der Wind ist nicht so stark und vor allem kalt wie ich dachte, und die Regentropfen haben kaum den Boden anfeuchten können. Gegen die Kopfschmerzen habe ich noch eine Tablette eingeworfen, auch wenn ich zur Zeit keine Probleme damit habe. Es liegen aber ja auch noch rund 1300 Höhenmeter vor uns. Das Knie zwickt auch nicht mehr – kurzum ich bin bereit. Die einzige kleine Unzulänglichkeit ist, das es um den Hals ein bisschen eng ist. Alle Jacken sind natürlich bis ganz oben zugezogen, damit sie auch den Hals wärmen. Und die elastischen Klettbänder, mit denen ich den Camelbak vor den Bauch geschnallt habe, ziehen diesen immer nach oben unter den Hals.

Um 0:30 geht es dann endlich los. Uns begleiten mit Safiri, James und einem der Porter drei Helfer nach oben. Auf dem Pfad nach oben sieht man schon eine endlose Karawane von Stirnlampen hinauf laufen. So dauert es auch nicht lange, bis auch wir im Stau stehen. Der Weg nach oben zieht sich schon bald in Serpentinen nach oben. Ab und zu nehmen wir den direkten Weg, um an der einen oder anderen Gruppe vorbei zu kommen. Irgendwann zwischen zwei und drei Uhr mache ich ein paar unsichere Schritte. Ich habe keine Ahnung warum, und mache mir eigentlich auch keine weiteren Gedanken darüber. Angefühlt haben sie sich ein bisschen wie unter Alkoholeinfluss, den kann ich aber natürlich definitiv ausschließen. Ruben, der hinter mir geht, fragt noch ob alles in Ordnung ist. Oder ob ich meinen Rucksack vielleicht an einen unserer Begleiter abgeben möchte, was die unten - auf 4600m - im Camp noch mal angeboten hatten. Ich verneine, denn ich fühle mich nicht schlecht und mein Schritt normalisiert sich auch sofort wieder. Wir machen nur wenige Pausen, für mich ist es eigentlich kein Problem, dank Camelbak kann ich auch unterwegs immer wieder in kleinen Schlucken trinken. Gegen 04:00 esse ich auch schon meinen fünften Energieriegel, die ich ja in den Jackentaschen immer griffbereit habe. Irgendwann unterwegs geraten wir in einen Graupelschauer. Durch meine hoch geschlossenen Jacken wird mein warmer Atem praktisch senkrecht nach oben geleitet. In Kombination sorgt es dafür, dass mein rechtes Brillenglas zufriert. So beschließe ich sie abzusetzen und in die Jacke zu stecken. Meine Sehbehinderung ist nicht so ausgeprägt, das ich hier nicht auch gut ohne zu Recht komme. Ansonsten ist mir warm, nur geht es immer langsamer voran. Gefühlt stehen wir schon fast mehr, als das es voran geht. Überholen ist praktisch nicht mehr möglich. So achte ich eigentlich nur noch darauf, wann sich die Füße von Tom, der vor mir geht, bewegen und folge ihnen dann einfach. Zu sehen gibt es ohnehin eigentlich nichts, um uns herum ist es finster, wenn man mal von den gefühlt tausend Stirnlampen absieht, die sich langsam den Berg rauf schieben.

Irgendwann heißt es dann plötzlich: wir sind da! Stella Point ist erreicht. Wir befinden uns auf einer Höhe von 5745m, der Kibo – der höchste der drei Gipfel des Kilimanjaro – gilt als bestiegen. Hier trifft unsere Route mit der über den Gillmans Point zusammen. Ich bin einfach nur überrascht wie viele Leute plötzlich um mich rum sind. Bis hierher bin ich gefühlt recht gut rauf gekommen. Die Sonne lässt sich auch schon erahnen. Unser Timing ist wieder perfekt und ich habe es tatsächlich geschafft. Glückshormone werden ohne Ende ausgeschüttet. Aber eigentlich hätte mich hier schon etwas stutzig machen müssen. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, Fotos zu machen. Schließlich mache ich doch eins: von meinen Handschuhen, die wie auch die übrige Kleidung von kleinen Eiskristallen von dem Graupelschauer unterwegs, überzogen sind. Auf den schwarzen Handschuhen kommen sie gut zur Geltung, aber das war es dann auch schon in Sachen Bilder. Zu diesem Zeitpunkt bin ich ganz offensichtlich schon lange nicht mehr so fit, wie ich mich immer noch fühle.

Und wo wir schon mal da sind, können wir auch noch eben zum Uhuru Peak rüber gehen. Es sieht eigentlich nur noch wie ein kleiner sanfter Anstieg aus, fast so als wenn man rüber zur Bushaltestelle die Straße „runter“ geht. Und heute ist es auch relativ warm hier oben, gerade mal -8°C, es hat hier auch schon Temperaturen jenseits der -20°C zu dieser Jahreszeit gegeben. Ich fühle mich unterwegs überhaupt nicht mehr gut, eigentlich werde ich nur noch so mit der Karawane mitgezogen. Aber nach weiteren etwa 30 Minuten bin auch ich ganz oben in Afrika angekommen. Auch jetzt bemerke ich zwar, dass ich nicht mehr fit bin, aber dass ich akut Höhenkrank bin, realisiere ich überhaupt nicht. Ich hatte mich im Vorfeld der Reise intensiv mit den Symptomen und Auswirkungen auseinander gesetzt. Ich hatte vor allem Respekt vor der Höhe, und hatte eigentlich nicht in Erwägung gezogen, dass ich es aus mangelnder Kondition nicht nach oben schaffen könnte. Und jetzt bemerke ich die Höhenkrankheit nicht mal. Wieder animiert mich eine seltsame Sache dazu, noch vier Bilder auf dem Gipfel zu machen. Ruben hat unter dem Gipfelschild einen Zettel mit dem Schriftzug „Yippii!“ aus der Tasche gezogen. So mache ich zwei Fotos von Ruben und Sebastian vor dem Gipfelschild und zwei vom benachbarten Gletscher. Das war es dann aber auch schon. Mich selbst vor dem Gipfelschild fotografieren zu lassen, kommt mir nicht in den Sinn.

Sebastian und Ruben sind es dann auch, die als erste meine etwas bläulich gefärbten Lippen bemerken. Diagnose: akuter Sauerstoffmangel. Und da geht es plötzlich alles sehr schnell. James und Safiri schnappen mich und fliegen fast mit mir im Schlepptau nach unten. Oben ging es mir wie ja schon gesagt nicht gut, aber ich hatte überhaupt nicht das Gefühl in einer gefährlichen Situation zu sein, oder auch nur nicht selbst wieder runter gehen zu können. Wie hatte ich gestern noch geschrieben: „runter kommen sie alle“. So hatte ich es mir aber nun doch nicht vorgestellt. Auf dem Weg nach unter bremse ich eigentlich mehr, als das ich unseren „Flug“ unterstütze. Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, es geht zu schnell, du kannst dich gar nicht richtig abstützen. Mir kommt überhaupt nicht in den Sinn, dass ich es meinen beiden Helfern damit nur unnötig schwer mache. Aber mit meinen Bremsmanövern habe ich ohnehin keine Chance. Mit ihrem Tempo können auch die anderen der Gruppe ohne den zusätzlichen Ballast – nicht anderes bin ich gerade, dazu bremse ich auch noch nach Kräften, nicht mithalten. Wenn man „mir“ auf unserem Abstieg eine kleine Pause gönnt, schließt Sebastian immer mal wieder auf. Er und James sorgen dafür, dass ich auf dem Weg hinunter ins Camp rund zwei Liter Flüssigkeit, einige Kekse und auch einen Würfel mit Traubenzuckerplättchen zu mir nehme. Sebastian ist es auch, der mit ein paar Fragen prüft, ob ich noch in unserer Welt bin, oder ein bisschen auf den Wolken schwebe.

Die letzten Meter werden etwas ruhiger, aber die einzige Hilfe bei der Höhenkrankheit ist der schnelle Abstieg. So erreichen wir, inzwischen haben uns auch die anderen der Gruppe eingeholt, gegen 10.00 Uhr das Camp. Mir brummt jetzt der Schädel ordentlich, oben habe ich davon nichts bemerkt. So lege ich mich, wie es auch unter normalen Umständen geplant war, erst einmal ins Zelt um mich etwas zu erholen. Ich döse auch relativ schnell ein. Gegen 11:30 kommt James ans Zelt. Der Kopf brummt immer noch, jedenfalls wenn ich mich bewege, aber ansonsten fühle ich mich nicht mal schlecht. Er bittet mich raus zu kommen, und deutet auf einen der Porter, der mich zu einem Arzt bringen soll. James meint das über 1000m in Verbindung mit der Höhenkrankheit einfach zu viel wäre. Erst heißt es auf jeden Fall, soll ich zum Arzt, dann vielleicht, und schließlich sagt er mir, der Porter müsste zum Arzt. Zwischenzeitlich bin ich ein bisschen über die Felsen gelaufen, habe James gefragt ob ich rechtzeitig zum Mittag zurück wäre, oder doch zumindest zum geplant Abstieg, schließlich wollen wir heute noch zum Mweka Camp runter. Jedenfalls fragt er noch, ob es mir gut geht, was ich bejahe, und so bleibe ich im Camp, der Porter damit sicherlich auch. Zum Mittag komme ich eigentlich mit gehörigem Hunger, schließlich war gestern Abend das frühe Abendessen meine letzte richtige Mahlzeit. Gleichwohl esse ich heute etwas weniger als sonst hier in den Bergen, Durst habe ich aus nachvollziehbaren Gründen gar keinen, trinke aber doch meine üblichen zwei Tassen heißen Kakao, bei dem ich wie immer das Wasser mit einem ordentlichen Löffel Milchpulver anreichere.

Nach einer kurzen Zeit des Packens und die Sonne auf den warmen Felsen genießen, beginnen wir unseren Abstieg. Dabei steigt man auf der Lemosho Route auf einem anderen sehr viel schnelleren Weg wieder runter, als der Weg nach oben war. Es geht dabei für uns heute vom Barafu Camp auf 4600m bis zum Mweka Camp auf 3100m runter, wofür wir etwa drei Stunden gebraucht haben. Der erste Teil des Weges sieht für mich irgendwie trostlos aus. Das mag zum Teil auch daran liegen, das man beim Aufstieg und während der Tage um den Gipfel herum über die verschiedenen Camps auf knapp 4000m immer den Kibo vor sich hatte, und jetzt geht es einfach nur noch bergab, den Kibo im Rücken. Auf dem ersten Teil ist eigentlich der zerklüftete Mawenzi Peak die einzige Attraktion. Er ist ja der dritte vulkanische Gipfel auf dem Kilimanjaro. Auch wenn er ein gutes Stück entfernt ist von der Mweka-Route, auf der wir hier jetzt unterwegs sind, so ist er mit seinen rund 5150m wegen seiner zerklüfteten Spitze doch sehr imposant. Ansonsten ist es hier anfangs nur staubig und karg. Später kommen ein paar scheinbar umher liegende Felsen dazu. Als ich mich hinter einen davon stelle, um Wasser zu lassen, steht plötzlich James hinter mir, ohne Worte müssen wir beide grinsen. An den anderen Tagen waren wir immer nur mit Safiri unterwegs, heute hat auch James zu uns aufgeschlossen, ohne uns wie üblich zu überholen, und ist bei uns geblieben. Er hat ganz offensichtlich ein Auge auf mich geworfen, ob es mir auch wirklich gut geht und ich klar komme. Dabei geht es mir eigentlich gut, mit zunehmender Dauer bzw. abnehmender Höhe verschwindet auch der Brummschädel. Als der Weg mehr und mehr steinig wird, was mit mehr oder weniger großen Stufen einhergeht, habe ich leichte Probleme mit den Füßen. Sie werden vorne bei den kleinen Zehen etwas druckempfindlich. Ansonsten geht es mir wie gesagt sehr gut. Je tiefer wir kommen, desto mehr Bewuchs bis zu einem undurchdringlichen Busch umgibt uns. Die Mweka Route ist eine reine Abstiegsroute, einzige Ausnahme sind Porter, die zusätzliche Ausrüstungsgegenstände, vornehmlich Lebensmittel rauf transportieren. Das Mweka Camp selbst liegt auch in den Büschen, dazwischen findet sich kaum genug Platz um die Zelte aufzustellen und auch noch drum herum zu laufen. Es dürfte wohl das größte Camp hier für uns am Kilimanjaro sein. Was eventuell aber auch täuscht, denn hier sind die Zeltplätze links und rechts an einem langen Pfad. Die anderen Camps waren mehr oder weniger frei auf einer Ebene, auf der dann die Zelte kreuz und quer aufgebaut worden sind. Hier gibt es jedenfalls wieder einen richtigen Thron, also ein Plumpsklo mit Sitzgelegenheit. Auch für die Porter ist hier vieles leichter als am Barafu Camp. Hier gibt es einen nahegelegen Wasserlauf. Am Barafu Camp wurde es vom ca. 100m unterhalb des Karanga Camp verlaufenden kleinen Bach geholt. Das bedeutet es wurde ca. 700 Höhenmeter ran geschafft. Und für eine Gruppe wie unsere braucht man insgesamt etwa 80ltr am Tag. Dabei trinken die Porter unterwegs an den verschiedenen Wasserläufen, für sich selbst nehmen sie meist kein Trinkwasser als Wegzehrung mit.

Trotz der gehörigen Höhendifferenz sind wir schon relativ früh im Camp angekommen. Heute stand eigentlich eine Gehzeit von 12 – 15 Stunden auf dem Plan, und das dann mit über 4000 Höhenmetern, rund 1300 davon aufwärts und 2800m abwärts. Eigentlich sollte ich jetzt völlig erledigt sein, komischerweise bin ich es aber eigentlich nicht. Ich bin müde, aber nicht wirklich erschöpft. Das mag auch teilweise an den eigentlich nicht selbst gelaufen 1300m vom Gipfel zum Barafu Camp liegen. Oder auch daran immer noch Glückshormone auszuschütten, wenn man daran denkt, es bis ganz nach oben geschafft zu haben. Auch wenn das Gefühl „erfolgreicher Kilimanjaro-Besteiger“ zu sein, bei mir natürlich einen schalen Beigeschmack hat. Bei mir war der Wille es zu schaffen offensichtlich größer, als die Leistungsfähigkeit bezüglich der Sauerstoffzufuhr meines Körpers. Dabei hatte ich mich auch dazu vorher lange Gedanken gemacht, dass es Zeit ist aufzugeben, wenn es nicht mehr geht. Aber ich habe offensichtlich die Signale des Körpers einfach ausgeblendet. Die einzige körperliche Maläse am heutigen Abend ist jeweils eine Blase an beiden kleinen Zehen. Nun habe ich mir also doch noch Blasen in den Bergen von Tansania eingefangen. So kommt mein die ganze Zeit im Tagesrucksack transportierte Blasenpflaster immerhin noch – im Camp – zum Einsatz. Aber morgen wird es ja auch nur noch ein kurzer Restabstieg.

Als letzte Anmerkung für den Gipfeltag noch etwas zu den Menschenmassen am Kilimanjaro. Auf unserer Seite vom Stella Point haben es an diesem Tag, wenn man die Zahl der Zelte hochrechnet, etwa 150 Personen versucht, den Kilimanjaro zu besteigen. Wenn man mal davon ausgeht, das vom Gillmans Point noch mal die gleiche Anzahl kommt und die wahrscheinlich zu vernachlässige Anzahl mit Kraterübernachtung außer acht lässt, dann waren in unserer Gipfelnacht 300 Touristen plus die Begleiter der Gruppen am Gipfel unterwegs. Sicherlich ist der Februar hier die absolute Hochsaison, aber wer von einem ruhigen Gipfelerlebnis träumt, der ist am Kilimanjaro auf jeden Fall am falschen Ort. Ich selbst hatte mir keine Illusionen gemacht und auch mit zahlreichen anderen Gipfelstürmern gerechnet, aber ich war doch von der Anzahl ziemlich überrascht. Oben geht es fast wie auf dem Jahrmarkt zu, nur die „Freßbuden“ fehlen noch. Begünstigt wird dieses Phänomen noch dadurch, dass der Uhuru Peak eben kein wirklicher Gipfel ist, wie man sich so was eben so vorstellt. Er ist eher eine Ebene, die eben irgendwo ein wenig höher ist als anderswo, mehr aber auch nicht. Das sind sicherlich touristische Auswüchse, zu den man hier aber eben auch selbst durch seine Anwesenheit beiträgt.